An
einem warmen Sonntagmorgen.
Ich
öffne die Augen und schaue verträumt aus meinem Fenster auf das
Meer
hinaus.
Da heute Sonntag ist, muss ich nicht in die Äther-Hochschule fahren.
Ein
Glück, denn ich habe immer noch Muskelkater vom schweren
Training, dass ich am Freitag mit Meister Carloso bewältigen musste.
Meister Carloso sagt immer, dass es wichtig sei, meinen mittlerweile
17 jährigen Körper zu stärken, um so mein Heil-Äther besser
kontrollieren zu können.
Seit
dem Vorfall vor 5 Jahren,
bei dem sich mein Cousin Juan schwer an einer Klippe verletzte und
ich wie aus dem Nichts meine Heilkräfte entdeckte und ihn dadurch
soweit verarzten konnte, bis die Ärzte den Strand erreichten, werde
ich von Meister Carloso in der Äther-Hochschule in Valencia
unterrichtet. Durch diesen Vorfall und das Training mit Meister
Carloso entwickelte sich für mich das Lebensziel der beste
Äther-Arzt Spaniens zu werden und für dieses Ziel nehme ich das
harte Training gerne in Kauf.
Da
die Schule nur eine Zugstunde von unserem Haus in Castellòn de la
Plana entfernt ist, lebe ich nur unter der Woche dort und kann am
Wochenende zu Hause mit meinen Eltern, meiner Schwester Amelié und
meinem Cousin Juan ein wenig Zeit verbringen.
„Egyp
bist du schon wach?!“, höre ich meine Schwester vor meiner
Zimmertür rufen.
„Ja,
ich stehe gleich auf“, antworte ich genervt.
Nachdem ich mich aus dem Bett gezwungen habe, mache ich mich erst mal frisch und wechsele meinen Schlafanzug gegen ein blaues T-Shirt und
eine weiße Shorts und begebe mich anschließend in unser
Esszimmer. Meine Eltern und Amelié sitzen bereits am Esstisch und
warten mit dem Frühstück auf mich. Zum Frühstück gibt es meist
nur ein wenig Gebäck und einen großen Becher Kaffee, richtig
aufgedeckt wird dann beim Mittagessen.
„Na,
du wolltest heute scheinbar gar nicht mehr aufstehen, oder? Selbst
deine Schwester ist heute mal vor dir wach und das soll schon was
heißen.“
Mein
Vater versucht lustig zu sein, erntet von mir und Amelié allerdings
nur ein müdes Lächeln.
„Ich
muss auch mal ausschlafen dürfen! Und innerhalb der Woche schmeißt
mich Meister Carloso immer schon um 6:00 aus dem Bett und dir musste
ich ja gestern früh auch bei deinen Besorgungen helfen. Da musste
ich mal Schlaf nachholen.“, entgegne ich meinem Vater und stopfe mir
ein paar Kekse gleichzeitig in den Mund, die ich dann mit einem
großen Schluck Kaffee herunterspüle.
„Pass
auf wie du mit deinem Vater redest!“, klinkt sich jetzt meine
Mutter in das Gespräch ein.
„Schon
gut Maria, der Junge soll ruhig sagen, was ihm auf dem Herzen liegt“. Mein Vater ist immer etwas ruhiger als unsere Mutter und lässt uns
mehr durchgehen. Meine Mutter würde man eher als streng bezeichnen.
„Und
was habt ihr beide heute vor?“, fragt mein Vater Amelié und mich,
um vom Thema abzulenken.
„Ich
gehe heute mit Juan,Nadia und Melina raus“, sagt Amelié
„Ach,
Juan und Nadia sind so ein süßes Paar!“, seufzt meine Mutter vor
sich hin. Muss mich meine Mutter immer daran erinnern, dass Juan nun
mit Nadia zusammen ist? Na ja, eigentlich freue ich mich auch für
ihn, dass er es geschafft hat ihr seine Gefühle zu gestehen und dabei
keinen Korb bekommen hat und ich habe mit meinem Training sowieso zu
viel tun, als dass ich mich noch um Mädchen kümmern könnte.
„Ich
werde heute am Strandfestival arbeiten und dort bei dem anwesenden
Arzt aushelfen.“, antworte ich meinem Vater noch auf seine Frage,
ehe ich mich entschuldige und anschließend kurz darauf das Haus
verlasse, um nicht zu spät bei der Arbeit zu erscheinen.
Der
Strand ist belebt und viele Leute sammeln sich an den Bühnen,
Snackbuden und diversen anderen Attraktionen. Ich sehe auch einige
Mitschüler aus meiner Äther-Hochschule. Unser Strandfest scheint
wohl auch in Valencia bekannt zu sein. Der Tag vergeht schnell.
Größere Verletzungen hat eigentlich niemand,so dass ich und der
etwas genervte, angehende Arzt Pedro nicht viel zu tun haben. Er
beschwert sich schon den ganzen Tag bei mir, dass er heute arbeiten
muss, obwohl er ja am liebsten selbst einer der Feiernden wäre. Ich
übernehme die wenigen Verletzen, da er bei den ersten, die da waren
auch nur herum gejammert hat, so dass die Behandlung ewig dauerte.
Die meisten „Patienten“ brauchen eh nur ein Pflaster oder ein
Kühlpack und ein wenig Schatten, um sich von der Sonne zu erholen.
Auch wenn es verwerflich klingen mag, wünsche ich mir schon den
ganzen Tag einen Patienten mit einer größeren offenen Fleischwunde,
um Pedro zu zeigen, wie stark mein Heil-Äther wirklich ist. Er ist
zwar fast mit seiner Ausbildung zum Arzt fertig, aber Meister Carloso
hat mir schon öfters gesagt, dass meine Heilkräfte außergewöhnlich
seien und die meisten Ärzte natürlich eine Art von Äther-Kontrolle
bei ihren Operation anwenden, sich aber in den meisten Fällen von
Maschinen unterstützen lassen. Pedro glaubt mir deshalb natürlich
nicht, dass ich bei einer größeren Fleischwunde die Blutung stoppen
kann und zusätzlich noch die Muskeln und die Haut, so stark wieder
verbinden kann, dass innerhalb kürzester Zeit nur noch eine kleine
Narbe übrig bleibt. Ich hatte länger keinen derartigen Eingriff zu
bewältigen und fühle mich auch etwas aus der Übung. Völlig in
Gedanken versunken höre ich plötzlich die Stimme meines Cousins.
„Egyp!
Egyp, komm schnell deine Schwester!“ Meine Schwester? Was soll mit
ihr sein! Erschrocken stehe ich sofort auf, gebe Pedro ein
Handzeichen, dass ich gleich wieder da bin und eile zu Juan, der auf mich
zugerannt kommt.
„Juan
was ist los? Was ist mit Amelié ?“
„Es
ist schrecklich Egyp. Amelié hatte einen Unfall und wacht nicht
mehr auf. Nadia hat schon einen Krankenwagen gerufen, aber aufgrund
eines Unfalls auf der Hauptstraße zum Strand kommen sie nicht so
schnell durch. Ich wusste, dass du hier in der Nähe arbeitest und
bin deshalb schnell los gerannt, um dich zu holen“. Er klingt außer
Atem und die Hälfte habe ich auch nicht verstanden, da wir direkt
losgelaufen sind und ich mich konzentrieren muss, durch die
Menschenmassen zu kommen. Nach circa 3-5 Minuten kommen wir in einer
kleinen verlassenen Straße an. Ich erblicke Nadia und auf ihrem
Schoß liegt meine bewusstlose Schwester. Sofort erhöhe ich nochmal
das Tempo.
„Amelié
! Was ist geschehen? Wach auf!“, natürlich bekomme ich keine
Antwort. Sie würde mir bei so was auch keinen Streich spielen.
„Egyp,
endlich bist du da. Die Ärzte brauchen noch circa 10 Minuten bis sie
hier sind“, Nadia spricht mit normaler Stimme, allerdings sehe ich, dass sie am ganzen Körper zittert.
„Lass
mich mal sehen“, sage ich bestimmt und fange an, mich auf das Äther
um Amelié zu konzentrieren. Nach kurzer Zeit erscheinen vor mir die
schillernd glänzenden Äther-Sechsecke. Sofort versuche ich ihre
unruhige Laufbahn zu korrigieren, stelle aber erschrocken fest, das
es nicht funktioniert. Ich versuche es erneut und erneut, ohne
Erfolg.
Außer
Juan, Nadia, Amelié und mir ist keiner in der Straße, jeder
scheint am nahelegenden Strand zu feiern. Ich bin also auf mich
allein gestellt.
„Juan.
Nadia, wie ist das passiert? Ich muss wissen, was ihre Ohnmacht
verursacht hat, vielleicht finde ich dann irgendwelche Hinweise.“
Nadia
antwortet zu erst: „Ich war gerade etwas zu Trinken holen, als ich
wiedergekommen bin war Amelié .......war Amelié schon.....“,
ihre Stimme bricht.
Ich
schaue Juan an. Er sieht nervös aus und beginnt zu sprechen.
„Sie
wollte mir ihr neues Äther zeigen, irgendwas scheint schief gelaufen
zu sein, denn plötzlich kippte sie um und wurde bewusstlos.“
„Neues
Äther? Was für ein Äther war das, Juan?“
„Ich.....“,
er stockt. „Ich weiß es nicht Egyp. Es tut mir leid.“
Ich
versuche wieder ihre Äther-Kristalle unter Kontrolle zu bringen,
wieder ohne Erfolg.
Die
nächsten Minuten vergehen wie in Zeitraffer. Zwei Äther-Ärzte
kommen um die Ecke in unsere Straße gesprintet und versuchen alles
mögliche um Amelié zu reanimieren. Juan hat mich gepackt und von
Amelié weggezogen. Die Ärzte merken schnell, dass sie hier nichts
für sie machen können und bringen sie in einem Krankenwagen in das
nächste Krankenhaus, wo Nadia, Juan und ich im Wartezimmer
ungeduldig warten. Meine Eltern sind mittlerweile auch da. Die Ärzte
sagen uns, dass sie nicht wissen warum Amelié ihr Bewusstsein
verloren hat und dass sie sie nur künstlich am Leben halten können,
aber weiterhin versuchen werden sie wieder aufzuwecken. Meine Mutter
und Nadia brechen in Tränen aus und ich fange an zu Laufen. Ich weiß
nicht wie lange ich gelaufen bin, aber als ich wieder bei vollem
Bewusstsein bin, befinde ich mich an der Klippe, an der Juan vor 5
Jahren gestürzt ist und sich mein Äther das erste Mal gezeigt hat.
Ich
dachte mein Lebensziel und mein Traum wäre es, eines Tages der beste
Äther-Arzt Spaniens zu werden, aber ich habe mich geirrt. Es ist
kein Traum mehr! Nein, es ist eine Mission! Für meine Schwester Amelié
werde ich der beste Äther-Arzt auf der Welt und dann werde ich sie
von ihrem Schicksal befreien!